Bilinguale Module am Rhein-Gymnasium

Englischer Unterricht in einem Sachfach wie Biologie oder Geschichte? Wie funktioniert das und was soll das Ganze? Diese Frage wird sich der eine oder die andere vielleicht im vergangenen Jahr gestellt haben.

Der Begriff „bilingual" steht im deutschen Schulsystem für einen Unterricht, in dem eine Fremdsprache als Arbeitssprache im Fachunterricht verwendet wird. In der Praxis wird dieses Konzept unterschiedlich umgesetzt, denn Schulen können zum Beispiel bilinguale Züge oder bilinguale Module anbieten. Zur Zeit bieten 51 Gymnasien in NRW bilinguale Züge an.

Am Rhein-Gymnasium werden unter anderem seit einem Jahr bilinguale Module im Fach Geschichte der  Klassen 9 und 10 in Englisch unterrichtet. Diese Module zeichnen sich durch ihre kurzen Laufzeiten aus, die es erlauben, bilingualen Unterricht in einzelnen Unterrichts­sequenzen flexibel durch- zuführen. In der 9. Klasse bieten sich hierbei besonders die Themen American Revolution und Imperialism für bilinguale Module an, während in der 10. Klasse der Kalte Krieg nach 1945 ein lohnendes Themenfeld darstellt.

Der Einsatz von bilingualen Modulen im Geschichtsunterricht findet hierbei mehrheitlich Akzeptanz bei den SchülerInnen. Für 29 von 37 SchülerInnen (78%), die sowohl in der 9. als auch in der 10. Klasse jeweils ein bilinguales Modul durchlaufen hatten, waren die bilingualen Module eine Bereicherung für den Geschichtsunterricht.

 

Im Nachfolgenden soll bilingualer Unterricht am Beispiel dieser Module genauer dargestellt werden. Manfred Wildhage beschreibt in Praxis Geschichte (1/2002, S. 5) treffend die Möglich­­keiten des bilingualen Geschichtsunterrichts: 

 

„Bilinguales Lernen bereichert und vertieft den Geschichtsunterricht, indem es die spezifisch deutsche Sicht auf historische Ereignisse erweitert und zu einer Begegnung mit der Sichtweise des Zielsprachelandes einlädt. Es verschafft Einblicke in die Geschichte und das historische Selbstverständnis dieses Landes sowie dessen Perspektive, gerade auch im Zusammenhang all jener neuralgischen Punkte im Zusammenleben der Völker, die diese in der Vergangenheit entzweit haben. Die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven bei der Aufarbeitung dieser Konflikte kann zum Verständnis für anderes Denken und Handeln beitragen. Die Tatsache, dass hierbei Originalquellen der betroffenen Länder eingesetzt werden, macht den Prozess des Nachvollziehens aus Schülersicht authentischer."

 

Das Verstehen anderer Perspektiven bedeutet jedoch keinesfalls den Verlust einer eigenen Perspektive. Vielmehr kann bilingualer Unterricht dazu dienen, die eigene Perspektive zu relativieren oder auch zu schärfen, indem die Eigenart des eigenen Kulturkreises deutlicher hervortritt. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass bilingualer Unterricht eben nicht nur englischer Geschichts-unterricht ist, sondern vielmehr dem Aspekt der Multiperspektivität besonders Rechnung trägt.

 

Es ist zudem ein Ziel des bilingualen Unterrichts, SchülerInnen in besonderer Weise auf die sprachlichen und kulturellen Gegebenheiten in einem zusammenwachsenden Europa vorzubereiten. Keinesfalls kann und will der bilinguale Sachfachunterricht das Fach Englisch jedoch ersetzen. Er stellt vielmehr eine Ergänzung dar, die es SchülerInnen zusätzlich ermöglicht, fachspezifische Sachverhalte und Problemstellungen in Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sprachlich und fachlich angemessen zu erörtern. Hierbei ermöglichen zahlreiche sprachliche Hilfen den SchülerInnen, dieses Ziel zu erreichen. Über 90 Prozent der befragten SchülerInnen empfanden die sprachliche Hilfestellung in bilingualen Modulen der 9. Klassen im Schuljahr 2004/2005 als „voll" oder „mehr als" ausreichend. Zudem hat es sich als lohnend erwiesen, durch den Einsatz verschiedener Materialien, wie zum Beispiel den Einsatz von Karten zum Imperialism und von Karikaturen zum Kalten Krieg, die SchülerInnen zur freien Verwendung des erlernten Fachvokabulars anzuregen.

 

Und welche Rolle spielt der bilinguale Unterricht für die Notengebung? Die Bewertung der Beiträge der SchülerInnen im bilingualen Geschichtsunterricht erfolgt vorrangig aufgrund ihrer fachlichen Leistungen. Die Verwendung der englischen Fachsprache ist zwar ein zentrales Ziel des bilingualen Unterrichts, bei auftretenden Leistungsdefiziten ist jedoch stets zu überprüfen, ob dieses Defizit auch bei Verwendung der Muttersprache besteht.

 

Insgesamt ist es also das Ziel, den bilingualen Sachfachunterricht als eine Bereicherung des Unterrichtsgeschehens einzuarbeiten. Hierbei steigen die Anforderungen an SchülerInnen und LehrerInnen - jedoch in einem Maße, das Lernzuwachs ermöglichen soll, ohne zu überfordern.

Heike Graeser

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